Mitteilung

Messung der Masse eines entfernten Schwarzen Lochs demonstriert das Potential von GRAVITY+

29. Januar 2024

Astronom*innen haben zum ersten Mal die Masse eines weit entfernten Schwarzen Lochs direkt gemessen. Das Schwarze Loch ist so weit entfernt, dass das Licht aus seiner Umgebung 11 Milliarden Jahre brauchte, um uns zu erreichen. Das Team unter der Leitung von Taro Shimizu vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München fand heraus, dass das Schwarze Loch mit der Bezeichnung J0920 eine Masse hat, die etwa 320 Millionen Mal so groß ist wie die der Sonne. Dieser Erfolg, der in einem heute in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Artikel beschrieben wird, wurde mithilfe von GRAVITY+ möglich, einer Reihe von laufenden Weiterentwicklungen des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO und seines GRAVITY-Instruments.

Um die Masse eines Schwarzen Lochs direkt zu messen, verfolgen Astronom*innen die Bewegung von Gas und Sternen um das Loch mithilfe von Teleskopen. Je schneller sich diese bewegen, desto mehr Masse ist in der Umlaufbahn des Materials eingeschlossen. Mit dieser Technik wurde die Masse von nahegelegenen Schwarzen Löchern gemessen, darunter auch das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Bei sehr großen Entfernungen ist diese Bewegung jedoch extrem schwer zu beobachten. Das bedeutet, dass ähnliche direkte Messungen der Masse entfernter Schwarzer Löcher, die einen Einblick in eine Periode in der Geschichte des Universums geben, in der Galaxien und Schwarze Löcher schnell wuchsen, bisher nicht möglich waren.

Die direkte Messung der Masse von J0920 war nur mit dem ersten Satz von Weiterentwicklungen von GRAVITY+ möglich. Diese Verbesserungen haben es den Astronom*innen ermöglicht, das schwache, weit entfernte Gas um das Schwarze Loch mit größerer Genauigkeit als je zuvor zu beobachten. Dabei kam eine Technik namens "Weitwinkel-Off-Axis-Fringe-Tracking" zum einsatz. Die genaue Messung der Masse von J0920 ist ein erster Schritt, der den Astronom*innen hilft zu verstehen, wie Schwarze Löcher und Galaxien zu einer Zeit zusammengewachsen sind, als das Universum erst wenige Milliarden Jahre alt war und sich die Galaxien noch bildeten. Für J0920 zeigt die neue Massenmessung, dass das Schwarze Loch etwa viermal weniger massereich ist als angesichts der Masse seiner Wirtsgalaxie zu erwarten wäre; dies deutet auf eine Verzögerung des Wachstums des Schwarzen Lochs im Vergleich zur umgebenden Galaxie hin.

GRAVITY+ nutzt Interferometrie, um das von den vier 8-Meter-Hauptteleskopen (engl. Unit Telescopes, kurz UTs), die Teil des VLTI sind, eintreffende Licht zu kombinieren. Nach seiner Fertigstellung wird es über eine verbesserte adaptive Optik verfügen, die eine bessere Korrektur der durch die Erdatmosphäre verursachten Unschärfe ermöglichen und den Kontrast der Beobachtungen verbessern wird. Im Rahmen von GRAVITY+ wird auch jeweils eine neuer Laserleitstern auf den UTs 1-3 installiert. Zusammen mit einem der derzeit am UT4 installierten Laser kann man dann schwächere und weiter entfernte Objekte beobachten als derzeit möglich.

Die Aufrüstung von GRAVITY+ erfolgt schrittweise, um sicherzustellen, dass der wissenschaftliche Betrieb des VLTI nur in geringem Maße gestört wird. Dies ermöglicht es den Astronom*innen auch, die Leistung von GRAVITY+ kontinuierlich zu testen, während es in Betrieb genommen wird. Die vollständige Aufrüstung wird voraussichtlich im Jahr 2025 abgeschlossen sein. Die neuen Funktionen werden allen derzeitigen und künftigen VLTI-Instrumenten und den Wissenschaftler*innen, die sie nutzen, zugute kommen.

Weitere Informationen

Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse sind unter dem Titel "A dynamic measurement of the supermassive black hole mass in a quasar 11 billion years ago" in der Fachzeitschrift Nature erschienen.

Die beteiligten Wissenschaftler*innen sind R. Abuter (Europäische Südsternwarte, Garching, Deutschland [ESO]), F. Allouche (Université Côte d'Azur, Observatoire de la Côte d'Azur, CNRS, Laboratoire Lagrange, Frankreich [Lagrange]), A. Amorim (Universidade de Lisboa - Faculdade de Ciências, Portugal und Centro de Astrofísica e Gravitação, IST, Universidade de Lisboa, Portugal [CENTRA]), C. Bailet (Lagrange), A. Berdeu (Observatoire de Paris, Université PSL, CNRS, Sorbonne Université, Université de Paris, Frankreich [LESIA]), J. P. Berger (Univ. Grenoble Alpes, CNRS, Frankreich [UGA]), P. Berio (Lagrange), A. Bigioli (Institut für Astronomie, KU Leuven, Belgien [KU Leuven]), O. Boebion (Lagrange), M.- L. Bolzer (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Deutschland [MPE], Lehrstuhl für Physik, Technische Universität München, Deutschland [TUM] und Univ. Lyon, ENS de Lyon, CNRS, Centre de Recherche Astrophysique de Lyon, Frankreich [CRAL]), H. Bonnet (ESO), G. Bourdarot (MPE), P. Bourget (Europäische Südsternwarte, Chile [ESO Chile]), W. Brandner (Max-Planck-Institut für Astronomie, Deutschland [MPIA]), Y. Cao (MPE), R. Conzelman (ESO), M. Comin (ESO), Y. Clénet (LESIA), B. Courtney-Barrer (ESO Chile und Research School of Astronomy and Astrophysics, College of Science, Australian National University, Australien [ANU]), R. Davies (MPE), D. Defrère (KU Leuven), A. Delboulbé (UGA), F. Delplancke-Ströbele (ESO), R. Dembet (LESIA), J. Dexter (Department of Astrophysical & Planetary Sciences, JILA, University of Colorado, USA), P. T. de Zeeuw (Leiden University, The Netherlands), A. Drescher (MPE), A. Eckart (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Deutschland [MPIfR] und 1. Physikalisches Institut der Universität Köln, Deutschland [Köln]), C. Édouard (LESIA), F. Eisenhauer (MPE), M. Fabricius (MPE), H. Feuchtgruber (MPE), G. Finger (MPE), N. M. Förster Schreiber (MPE), P. Garcia (Faculdade de Engenharia, Universidade do Porto, Portugal [FEUP] und CENTRA), R. Garcia Lopez (School of Physics, University College Dublin, Irland), F. Gao (MPIfR), E. Gendron (LESIA), R. Genzel (MPE und Departments of Physics and Astronomy, University of California, USA), J.P. Gil (ESO Chile), S. Gillessen (MPE), T. Gomes (CENTRA und FEUP), F. Gonté (ESO), C. Gouvret (Lagrange), P. Guajardo (ESO Chile), S. Guieu (IPAG), W. Hackenberg (ESO), N. Haddad (ESO Chile), M. Hartl (MPE), X. Haubois (ESO Chile), F. Haußmann (MPE), G. Heißel (LESIA and Advanced Concepts Team, European Space Agency, TEC-SF, ESTEC, Niederlande), T. Henning (MPIA), S. Hippler (MPIA), S.F. Hönig (School of Physics & Astronomy, University of Southampton, UK [Southampton]), M. Horrobin (Köln), N. Hubin (ESO), E. Jacqmart (Lagrange), L. Jocou (IPAG), A. Kaufer (ESO Chile), P. Kervella (LESIA), J. Kolb (ESO), H. Korhonen (ESO Chile), S. Lacour (ESO und LESIA), S. Lagarde (Lagrange), O. Lai (Lagrange), V. Lapeyrère (LESIA), R. Laugier (KU Leuven), J.- B. Le Bouquin (IPAG), J. Leftley (Lagrange), P. Léna (LESIA), S. Lewis (ESO), D. Liu (MPE), B. Lopez (Lagrange), D. Lutz (MPE), Y. Magnard (IPAG), F. Mang (MPE und TUM), A. Marcotto (Lagrange), D. Maurel (IPAG), A. Mérand (ESO), F. Millour (Lagrange), N. More (MPE), H. Netzer (School of Physics and Astronomy, Tel Aviv University, Israel [TAU]), H. Nowacki (IPAG), M. Nowak (Institute of Astronomy, University of Cambridge, UK), S. Oberti (ESO), T. Ott (MPE), L. Pallanca (ESO Chile), T. Paumard (LESIA), K. Perraut (IPAG), G. Perrin (LESIA), R. Petrov (Lagrange), O. Pfuhl (ESO), N. Pourré (IPAG), S. Rabien (MPE), C. Rau (MPE), M. Riquelme (ESO), S. Robbe-Dubois (Lagrange), S. Rochat (IPAG), M. Salman (KU Leuven), J. Sanchez-Bermudez (Instituto de Astronomía, Universidad Nacional Autónoma de México, Mexiko und MPIA), D.J.D. Santos (MPE), S. Scheithauer (MPIA), M. Schöller (ESO), J. Schubert (MPE), N. Schuhler (ESO Chile), J. Shangguan (MPE), P. Shchekaturov (ESO), T.T. Shimizu (MPE), A. Sevin (LESIA), F. Soulez (CRAL), A. Spang (Lagrange), E. Stadler (IPAG), A. Sternberg (TAU und Center for Computational Astrophysics, Flatiron Institute, USA), C. Straubmeier (Köln), E. Sturm (MPE), C. Sykes (Southampton), L.J. Tacconi (MPE), K.R.W. Tristram (ESO Chile), F. Vincent (LESIA), S. von Fellenberg (MPIfR), S. Uysal (MPE), F. Widmann (MPE), E. Wieprecht (MPE), E. Wiezorrek (MPE), J. Woillez (ESO) und G. Zins (ESO).

Die GRAVITY+ Upgrades werden von den folgenden Instituten zusammen mit der ESO entwickelt und gebaut:

  • Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik; Max-Planck-Institut für Astronomie; Universität zu Köln (Deutschland)
  • Institut National des Sciences de l'Univers, Centre national de la recherche scientifique (CNRS); Institut de Planétologie et d'Astrophysique de Grenoble; Laboratoire d'Etudes Spatiales et d'Instrumentation en Astrophysique; Laboratoire Joseph-Louis Lagrange; Centre de Recherche Astrophysique de Lyon (Frankreich)
  • Center for Astrophysics and Gravitation am Instituto Superior Técnico; Universität von Lissabon; Universität von Porto (Portugal)
  • University of Southampton (UK)
  • Katholieke Universiteit Leuven (Belgien)

Links

Kontaktinformationen

Taro Shimizu
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Garching bei München
E-Mail: shimizu@mpe.mpg.de

Antoine Mérand
VLTI-Programmwissenschaftler bei der ESO
Garching bei München
E-Mail: amerand@eso.org

Bárbara Ferreira
ESO-Medienmanagerin
Garching bei München
Telefon: +49 89 3200 6670
Mobil: +49 151 241 664 00
E-Mail: press@eso.org

 

Über die Mitteilung

ID:ann24002

Bilder

Ein sternklarer Nachthimmel zeigt das auffällige weißblaue Band der Milchstraße, das sich nach oben links im Bild wölbt. Rechts davon ist eine künstlerische Darstellung des Materials zu sehen, das ein Schwarzes Loch umgibt - ein asymmetrischer orangefarbener Ring umgibt einen hellen weißen Fleck, von dem ein dünner grünlicher Strahl ausgeht. Auf dem dunklen Boden darunter sind mehrere schwach beleuchtete Teleskopkuppeln zu sehen.
Schwarze Löcher mit GRAVITY+ wiegen
Das GRAVITY-Instrument
Das GRAVITY-Instrument

Videos

Animation des Lichtwegs durch GRAVITY
Animation des Lichtwegs durch GRAVITY